Samstag, 5. März 2016

Erste Deutschstunde


Soll ich – oder soll ich nicht?

Seit eineinhalb Jahren bin ich in der Flüchtlingshilfe, jetzt – endlich? – gibt es auch Flüchtlinge direkt in der Nachbarschaft. Verführerisch auch hier aktiv zu werden.  Ich hatte bisher Glück. Manchmal dachte ich, meine Hilfe ist purer Egoismus: Zum Beispiel die Syrerin Eatemad. Wir hatten uns angesehen und wortlos verstanden. Deutsch – Arabisch. Kein Problem. Es lief wie bei den Kindern. Von Dublin Verfahren, Gewalterfahrung, endlich Pass, Jobcenter, jetzt Familiennachzug – alle Stationen haben wir zusammen erlebt. Jetzt werde ich dauernd eingeladen und bekomme Essen von ihr mit. Wenn wir zusammen sind, ist es immer lustig, auch wenn wir nicht alles verstehen. Aber emotional bin ich ausgelastet. Ich entschließe mich daher in der Nachbarschaft Deutsch zu unterrichten. Unterrichtserfahrung  Null! 

Donnerstag um 15 Uhr geht es los. Ich gehe zum Heim – an den Namen muss ich mich gewöhnen, bis vor kurzem bin ich zum Sport in die Halle gegangen – und hole Flüchtlinge ab. Wir sind zu acht. Alter von sieben bis Ende dreißig. Ich bin aufgeregt, aber das legt sich schnell. Wir machen eine Vorstellungsrunde und alle müssen sagen: Ich heiße soundso. Und dann zum Nachbarn: Wie heißt du? Es klappt, aber für Viele mit Überwindung. Als ich Pause machen will, möchten alle weitermachen. Die Stimmung ist gut – eigentlich erstaunlich, bei der Enge in der Turnhalle, der gereizten Stimmung der Security am Eingang und dem Schicksal Einiger, das teilweise so grausig ist, dass ich es am liebsten sofort wieder vergesse.
Sie sagen mir, ich wäre ein guter Lehrer und am Ende frage ich mich, wer mehr profitiert hat. 

Denn meinem Selbstbewusstsein hat diese Stunde gut getan.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen